Freiberufler und Umsatzsteuer: Die wichtigsten Regeln

Für viele Freiberufler ist die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) eine der ersten steuerlichen Fragestellungen nach der Existenzgründung. Richtig angewendet beeinflusst sie Preise, Liquidität und die Buchführung. Falsch angewendet führt sie zu Nachzahlungen, Zinsen oder Bußgeldern. Dieser Artikel erklärt praxisnah und vollständig, welche Regeln für Freiberufler in Deutschland gelten, welche Ausnahmen es gibt und welche Schritte Sie bei Rechnungsstellung, Vorsteuerabzug und Meldungen beachten müssen.

Wer ist umsatzsteuerpflichtig — Freiberufler vs. Kleinunternehmer

Freiberufler sind nach deutschem Recht bestimmte selbstständige Tätige (z. B. Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Journalisten, IT-Berater). Die Abgrenzung zum Gewerbe ist für die Einkommenssteuer relevant, für die Umsatzsteuer gilt grundsätzlich: Wer Lieferungen oder sonstige Leistungen gegen Entgelt innerhalb des Inlandes ausführt, ist umsatzsteuerpflichtig, sofern keine spezielle Steuerbefreiung greift.

Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG)

Viele Freiberufler profitieren von der Kleinunternehmerregelung. Sie greift, wenn der Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000 EUR nicht überstiegen hat und im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 EUR nicht überschreitet. Als Kleinunternehmer stellen Sie Rechnungen ohne Umsatzsteuer und weisen auf die Anwendung der Regelung hin. Dafür entfällt allerdings der Vorsteuerabzug — Sie können also die von Ihnen gezahlte Umsatzsteuer auf Eingangsrechnungen nicht zurückfordern.

Beispiel: Sie sind Grafiker und hatten im letzten Jahr 18.000 EUR Umsatz. Sie können als Kleinunternehmer fakturieren, nehmen also für eine 1.000 EUR-Leistung keine 19% Umsatzsteuer. Das macht Ihre Preise für Endkunden übersichtlich, kann bei Geschäftskunden aber unattraktiv sein, weil diese die Vorsteuer nicht geltend machen können.

Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.)

Wenn Sie innergemeinschaftliche Leistungen oder Warenlieferungen in die EU ausführen oder von EU-Unternehmen beziehen, benötigen Sie häufig eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die USt-IdNr. beantragen Sie beim Bundeszentralamt für Steuern; viele Informationen zur umsatzsteuerlichen Behandlung stellt auch das Bundesfinanzministerium bereit.

Rechnungen, Pflichtangaben und Vorsteuerabzug

Rechnungen müssen bestimmte Angaben enthalten, damit beim Kunden der Vorsteuerabzug möglich ist und die Rechnung steuerlich anerkannt wird. Nutzen Sie standardisierte Vorlagen und prüfen Sie jede Rechnung vor Versendung.

Pflichtangaben auf Rechnungen

Fehlt eine der Pflichtangaben, kann das zu Problemen beim Vorsteuerabzug des Kunden und zu Beanstandungen durch das Finanzamt führen.

Vorsteuerabzug — was kann geltend gemacht werden?

Unternehmer, die Umsatzsteuer ausweisen, können die von ihnen gezahlte Umsatzsteuer auf betriebliche Eingangsrechnungen als Vorsteuer abziehen. Voraussetzung ist, dass die Ausgabe betrieblich veranlasst ist und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Beispiele: Betriebliches Laptop, Büromiete, Fachliteratur. Kleinunternehmer haben diesen Anspruch nicht.

Umsatzsteuerbesteuerung bei grenzüberschreitenden Leistungen

Für Freiberufler, die für ausländische Kunden arbeiten oder digitale Leistungen erbringen, sind die Regeln zur Ortsbestimmung der Leistung und das Reverse-Charge-Verfahren besonders wichtig.

B2B innerhalb der EU (Reverse-Charge)

Bei Dienstleistungen an Unternehmer in anderen EU-Mitgliedstaaten gilt in der Regel das Empfängerortprinzip — die Leistung ist am Sitz des Leistungsempfängers steuerbar. Das bedeutet: Sie stellen netto ohne deutsche Umsatzsteuer in Rechnung; der Leistungsempfänger muss die Umsatzsteuer in seinem Land nach dem Reverse-Charge-Verfahren abführen. Damit das funktioniert, prüfen Sie die USt-IdNr. des Kunden und dokumentieren diese.

B2C innerhalb der EU und elektronische Dienstleistungen

Bei Leistungen an Privatpersonen gilt häufig der Leistungsort des leistenden Unternehmers — hier stellen Sie deutsche Umsatzsteuer in Rechnung. Ausnahmen gelten für elektronische Dienstleistungen an Endkunden in anderen EU-Staaten: Diese unterliegen der Besteuerung im Bestimmungsland und werden über das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) gemeldet und abgeführt.

Export und innergemeinschaftliche Lieferung

Warenlieferungen ins Ausland sind unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei (Ausfuhrlieferung außerhalb der EU, innergemeinschaftliche Lieferung an Unternehmer mit gültiger USt-IdNr. innerhalb der EU). Wichtige Voraussetzung sind Nachweise über den Versand bzw. die Ausfuhr.

Praktische Pflichten: Voranmeldungen, Fristen und Buchführung

Die umsatzsteuerlichen Melde- und Aufbewahrungspflichten sind für die Liquidität entscheidend. Fehler hier führen zu Zins- und Säumniszuschlägen.

Umsatzsteuervoranmeldung

Nach der Anmeldung beim Finanzamt bekommen umsatzsteuerpflichtige Unternehmer Vorgaben zur Häufigkeit der Umsatzsteuervoranmeldungen. In der Regel gilt:

  1. Wenn die Umsatzsteuer des Vorjahres über 7.500 EUR lag: monatliche Voranmeldung
  2. Bei bis zu 7.500 EUR: vierteljährliche Voranmeldung
  3. Bei sehr niedriger Steuerlast (unter bestimmten Grenzen) kann es eine Befreiung von der Abgabepflicht geben

Die Anmeldung und Abgabe erfolgen elektronisch — etwa über ELSTER. Frist ist üblicherweise der 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums; bei Steuerberatern verlängern sich die Fristen.

Jahreserklärung und Aufbewahrungspflichten

Zusätzlich zur Voranmeldung ist einmal jährlich eine Umsatzsteuererklärung abzugeben. Bewahren Sie Rechnungen, Belege und Nachweise mindestens zehn Jahre auf. Eine ordentliche Buchführung oder zumindest eine strukturierte Einnahmen-Überschuss-Rechnung erleichtert die Erstellung der Erklärungen und Belegprüfungen.

Praktische Tipps zur Organisation

Besondere Situationen und Fehlervermeidung

Einige Konstellationen sind besonders fehleranfällig. Achten Sie auf diese Punkte, um Risiken zu minimieren.

Leistungsort unklar?

Bei Beratungsleistungen, Online-Kursen oder grenzüberschreitenden Projekten prüfen Sie die Regeln zur Bestimmung des Leistungsorts. Dokumentieren Sie Kundenstatus (Unternehmer/Privatperson) und Leistungsort schriftlich.

Rechnungen ohne Umsatzsteuer — Risiko der Scheinselbstständigkeit?

Gerade bei Rechnungen an einzelne Auftraggeber sollte geprüft werden, ob nicht Scheinselbstständigkeit oder sozialversicherungsrechtliche Aspekte vorliegen. Umsatzsteuerrecht und Sozialversicherungsrecht sind getrennte Bereiche, können aber wirtschaftlich zusammenfallen. Klären Sie das mit Sozialversicherungsträgern oder einem Steuerberater.

Fehlerhafte Vorsteuerabzüge und Nachforderungen

Fehlerhafte Vorsteuerabzüge (z. B. aufgrund unvollständiger Rechnung) führen zu Korrekturen und Nachzahlungen. Halten Sie formale Anforderungen ein und bewahren Sie Transport- und Empfangsbelege bei grenzüberschreitenden Lieferungen.

Fazit

Umsatzsteuer ist für Freiberufler ein Thema, das Preisgestaltung, Liquidität und Verwaltung betrifft. Entscheidend ist, ob Sie die Kleinunternehmerregelung nutzen oder umsatzsteuerpflichtig fakturieren, ob Sie grenzüberschreitend tätig sind und wie Sie Ihre Buchführung organisieren. Praktische Schritte nach der Gründung sind: Anmeldung beim Finanzamt, Entscheidung über die Kleinunternehmerregelung, Einrichtung elektronischer Meldungen über ELSTER und — bei Bedarf — Beantragung einer USt-IdNr. Nutzen Sie offizielle Informationen, z. B. vom Bundesfinanzministerium, und bei komplexen Sachverhalten die Beratung durch Steuerprofis oder Anbieter wie DATEV. Wenn Sie die beschriebenen Regeln beachten, reduzieren Sie Risiken und können die Umsatzsteuer als planbaren Teil Ihres Unternehmeralltags nutzen.



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Author
Timo Kleemann

Timo ist der Gründer von BillingEngine. Nach seinem Studium der Internationalen Betriebswirtschaft und Informatik gründete er zunächst die Webdesign-Agentur DesignBits.

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25.08.2025
Änderungsdatum:
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