Als Freiberufler ist die Frage nach dem richtigen Stundensatz zentral für die wirtschaftliche Existenz: Zu niedrig kalkuliert arbeitet man quasi zum Selbstkostenpreis, zu hoch angesetzt verliert man Aufträge. Dieser Artikel erklärt systematisch und praxisnah, wie Sie Ihren Stundensatz berechnen, welche Kosten Sie berücksichtigen müssen und wie Sie die Ergebnisse in Angebote und Verhandlungen übertragen. Schritt für Schritt erhalten Sie eine Formel, ein konkretes Rechenbeispiel und Tipps zur Anpassung an Markt und Projekttyp.
Grundprinzip: Woraus sich der Stundensatz zusammensetzt
Der Stundensatz eines Freiberuflers ist kein willkürlicher Zahlenwert, sondern das Ergebnis einer einfachen Rechnung: Sie müssen alle persönlichen und betrieblichen Kosten sowie Steuern und Rücklagen durch die tatsächlich verrechenbaren Stunden teilen. Kurzformel:
Stundensatz = (Jahresziel-Einkommen + betriebliche Kosten + Rücklagen) / verrechenbare Stunden
Wichtig: Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) wird meist zusätzlich berechnet (bei Kleinunternehmern ggf. Ausnahmen, siehe Kleinunternehmer) und sollte getrennt betrachtet werden. Auch sind persönliche Steuern und Sozialabgaben entweder bereits im Jahresziel-Einkommen enthalten oder müssen als Prozentsatz aufgeschlagen werden.
Wesentliche Bestandteile
- Persönliches Ziel-Einkommen (Netto nach Steuern/Beiträge oder Brutto vor Steuern — wichtig ist die konsistente Definition).
- Betriebliche Kosten (Büro, Hardware, Softwarelizenzen, Fortbildung, Reisekosten, Versicherungen, Betriebsausgaben).
- Sozialabgaben und Steuern (Krankenversicherung, Renten- und Pflegeversicherung, Einkommensteuer; genaue Werte variieren — informieren Sie sich z.B. bei der Bundesfinanzministerium oder Ihrem Steuerberater).
- Rücklagen (für Urlaub, Krankheit, Investitionen, saisonale Auftragslücken).
- Verrechenbare Stunden (effektive Stunden, die Sie Kunden in Rechnung stellen können).
Berechnung der verrechenbaren Stunden
Viele Fehler bei der Stundensatzkalkulation entstehen durch überschätzte Arbeitsstunden. Planen Sie realistisch:
Schritt für Schritt
- Start: 52 Wochen × 5 Arbeitstage = 260 Arbeitstage pro Jahr.
- Abzug Urlaub: z.B. 25 Arbeitstage Urlaub → 235 Tage.
- Abzug Krankheit/Weiterbildung: z.B. 7 Tage → 228 Tage.
- Administrative Tage: Zeit für Akquise, Buchhaltung, Marketing — z.B. 1 Tag pro Woche → 52 Tage → verbleiben 176 Tage.
- Verrechenbare Tage × durchschnittliche Stunden pro Tag (z.B. 6 Stunden fakturierbar pro Arbeitstag) → 176 × 6 = 1.056 verrechenbare Stunden.
Alternative: Wenn Sie genauere Daten haben, messen Sie mehrere Monate die fakturierbare Zeit und extrapolieren auf das Jahr. Viele Branchen geben typische Auslastungsraten an — für Beratende oft 50–70%, für Projektbasierte Entwickler abhängig von Auftragssituation.
Beispielrechnung zur Verrechenbarkeit
Ein freiberuflicher Designer plant 30 Urlaubstage, rechnet mit 5 Krankheitstagen und plant 1 Tag/Woche für Akquise. Das ergibt etwa 160–1.200 fakturierbare Stunden je nach Annahmen. Realistische Annahmen senken das Risiko, am Jahresende mit zu wenig Einnahmen dazustehen.
Konkrete Formel mit Beispielrechnungen
Wir gehen von folgenden Annahmen aus und berechnen den Stundensatz:
- Persönliches Ziel-Einkommen (Netto, wunsch): 45.000 €
- Steuern & Sozialabgaben: ca. 30% (als Faustwert, individuell unterschiedlich)
- Betriebliche Kosten p.a.: 10.000 €
- Rücklagen/Reserve (z.B. 10% auf Umsatz): 5.000 €
- Verrechenbare Stunden p.a.: 1.000 Stunden
Schritt A: Ziel-Brutto (vor Steuern) berechnen
Wenn Ihr Ziel-Netto 45.000 € ist und Sie mit 30% Steuern/Sozialabgaben rechnen, benötigen Sie:
Ziel-Brutto = Ziel-Netto / (1 - Steuerquote)
Ziel-Brutto = 45.000 € / 0,7 ≈ 64.285 €
Schritt B: Gesamtumsatzbedarf
Gesamtumsatz = Ziel-Brutto + betriebliche Kosten + Rücklagen
Gesamtumsatz = 64.285 € + 10.000 € + 5.000 € = 79.285 €
Schritt C: Stundensatz
Stundensatz (netto, ohne MwSt) = Gesamtumsatz / verrechenbare Stunden
Stundensatz = 79.285 € / 1.000 h = 79,29 €
Praktisch rundet man auf: etwa 80 € pro Stunde. Für Puffer und Gewinn kann man z.B. 10–15% aufschlagen → 88–92 €.
Posten | Betrag (€) |
---|---|
Persönliches Ziel-Brutto | 64.285 |
Betriebliche Kosten | 10.000 |
Rücklagen | 5.000 |
Gesamtumsatzbedarf | 79.285 |
Verrechenbare Stunden | 1.000 |
Stundensatz (netto) | ≈79,29 € |
Praxis-Tipps, Varianten und Stolperfallen
Die reine Rechnung ist nur der Anfang. In der Praxis zählen Verhandlungsgeschick, Positionierung und Marktrecherche ebenso viel wie die Kalkulation.
Tagessatz und Paketpreise
- Tagessatz = Stundensatz × übliche Fakturierungsstunden pro Tag (z.B. 8 h) → für 80 €/h = 640 €/Tag.
- Paketpreise für Projekte sind oft lukrativer: Berücksichtigen Sie hierfür Ihren effektiven Zeitaufwand, Risiken und Mehrwert für den Kunden.
Branchen-Benchmarks und Rechtliches
Vergleichen Sie Ihre Sätze mit Branchendaten. Branchenverbände, regionale IHKs oder spezialisierte Anbieter wie DATEV veröffentlichen teilweise Benchmarks und Kalkulationshilfen. Beachten Sie zudem steuerliche Regeln und Anforderungen an Rechnungsstellung und Umsatzsteuer, etwa auf Elster/Finanzamtsseiten oder offiziellen Portalen.
Typische Fehler
- Zu hohe Verrechnung von Stunden (Annahme von 2.000 fakturierbaren Stunden im Jahr ist unrealistisch).
- Unterschätzung von administrativen Zeiten und Marketingaufwand.
- Keine Puffer für Zahlungsausfälle oder saisonale Schwankungen.
- Nicht-Berücksichtigung von Urlaub und Krankheit.
Preispsychologie und Positionierung
Ihr Stundensatz muss auch zum Markt passen. Bei hoher Spezialisierung rechtfertigt ein höherer Satz. Niedrigpreise ziehen Kunden mit niedrigem Budget an — das bedeutet oft mehr Verkaufsaufwand. Überlegen Sie, ob Sie sich als Premium-Anbieter positionieren oder Volumenarbeit bevorzugen.
Fazit
Der richtige Stundensatz ergibt sich aus einer systematischen Berechnung aller persönlichen und betrieblichen Kosten, realistischen Annahmen zu verrechenbaren Stunden und einer Kalkulation von Steuern und Rücklagen. Nutzen Sie die Formel:
Stundensatz = (Ziel-Brutto + betriebliche Kosten + Rücklagen) / verrechenbare Stunden
Arbeiten Sie mit realistischen Annahmen zur Auslastung, legen Sie Puffer für Unsicherheiten an und vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit Branchenbenchmarks. Ziehen Sie bei Unsicherheit einen Steuerberater hinzu und informieren Sie sich bei offiziellen Stellen wie dem Bundesfinanzministerium oder spezialisierten Anbietern, um steuerliche und rechtliche Aspekte korrekt zu berücksichtigen. Mit klarer Kalkulation, regelmäßiger Überprüfung und Marktorientierung sichern Sie Ihre Liquidität und Ihre Positionierung als Freiberufler langfristig ab.
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