Aufbewahrungspflicht bezeichnet die gesetzliche Verpflichtung, bestimmte Geschäftsunterlagen über festgelegte Zeiträume aufzubewahren. Für Freiberufler und kleine Unternehmen in Deutschland regeln insbesondere die Abgabenordnung (AO) und das Handelsgesetzbuch (HGB) die Fristen und den Umfang. Die korrekte Aufbewahrung ist zentral für die ordnungsgemäße Buchführung, Prüfungen durch das Finanzamt und die Absicherung Ihres Unternehmens.
Welche Unterlagen sind betroffen und welche Fristen gelten?
Die Aufbewahrungspflichten unterscheiden nach Dokumententyp und Rechtsgrundlage. Grundsätzlich gelten folgende Regelungen:
Fristen im Überblick
- 10 Jahre: Bücher, Inventare, Jahresabschlüsse, Eröffnungsbilanzen, Buchungsbelege, Ein- und Ausgangsrechnungen sowie alle Unterlagen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind (vgl. §147 AO, §257 HGB).
- 6 Jahre: Geschäftsbriefe, empfangene und abgesandte Handels- oder Geschäftsbriefe, sonstige Unterlagen mit steuerlich nicht so langfristiger Bedeutung (vgl. §257 HGB).
Beispiel: Eine Eingangsrechnung vom 05.06.2023 ist zehn Jahre aufzubewahren—also bis zum 31.12.2033. Ein Geschäftsbrief vom 10.04.2023 ist sechs Jahre aufzubewahren—also bis zum 31.12.2029.
Praktische Umsetzung in der Buchhaltung
Die Aufbewahrungspflicht wirkt sich direkt auf Ihre tägliche Buchhaltung und Archivierung aus. Wichtige Aspekte sind Digitalisierung, Ordnungssystem und Zugriffsschutz.
Elektronische Aufbewahrung
- GoBD beachten: Die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung digitaler Unterlagen (GoBD) verlangen Revisionssicherheit, Unveränderbarkeit, Nachvollziehbarkeit und vollständige Dokumentation der Prozesse.
- Scannen von Papierbelegen: Scans sind zulässig, wenn sie vollständig, lesbar und unveränderbar gespeichert werden. Die Voraussetzungen der GoBD müssen erfüllt sein; danach kann das Papieroriginal unter bestimmten Bedingungen vernichtet werden.
- Archivierungssysteme: Verwenden Sie ein revisionssicheres Archiv (z.B. mit WORM-Funktionalität oder zertifizierten Cloud-Diensten) und dokumentieren Sie Zugriffsrechte sowie Sicherungsstrategien.
Organisation und Ablauf
- Führen Sie ein Aufbewahrungsverzeichnis, das Dokumentart, Datum und Aufbewahrungsfrist auflistet.
- Trennen Sie Belege nach Art (Rechnungen, Lohnunterlagen, Verträge) und ordnen Sie sie chronologisch.
- Legalisieren Sie Prozesse: Wer scannt, wer überprüft, wo liegen Backups—diese Abläufe sollten schriftlich festgehalten werden.
Konkrete Anwendungsfälle und Beispiele
Praxisnahe Beispiele helfen, die Pflicht umzusetzen und typische Fehler zu vermeiden.
- Freiberufler, z. B. Grafiker: Eingangsrechnungen für Softwarelizenzen (10 Jahre) und Angebote an Kunden (6 Jahre) systematisch ablegen; digitale Belege mit Belegnummer versehen.
- Kleines Handelsunternehmen: Kassenaufzeichnungen und Tagesberichte sind Teil der Buchführung und 10 Jahre aufzubewahren; elektronische Kassen müssen GoBD-konform geführt werden.
- Lohnabrechnungen: Personalakten, Lohn- und Gehaltsunterlagen sind in der Regel 10 Jahre aufzubewahren wegen steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Relevanz.
Folgen bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht und Empfehlungen
Die Nichteinhaltung kann erhebliche Folgen haben. Das Finanzamt kann Unterlagen nachfordern, Schätzungen nach §162 AO vornehmen oder Verspätungszuschläge und Ordnungsgelder verhängen. Im Einzelfall drohen strafrechtliche Konsequenzen bei vorsätzlicher Vernichtung steuerlich relevanter Unterlagen.
Empfehlungen zur Risikominimierung
- Erstellen Sie eine schriftliche Aufbewahrungsrichtlinie.
- Nutzen Sie zertifizierte Softwarelösungen und dokumentieren Sie alle Prozesse (Scanprotokolle, Backuppläne).
- Schulen Sie Mitarbeiter zu Aufbewahrungsfristen und Datenschutz.
- Bei Umstellung auf digitale Archivierung: Holen Sie steuerliche Beratung ein, um GoBD-Konformität zu gewährleisten.
Zusammenfassend: Die Aufbewahrungspflicht ist für die steuerliche Absicherung unverzichtbar. Mit klaren Abläufen, revisionssicheren Archiven und regelmäßiger Kontrolle stellen Sie sicher, dass Sie Prüfungen bestehen und finanzielle Risiken minimieren. Bei Unsicherheiten empfiehlt sich die Rücksprache mit einem Steuerberater, der Ihre Dokumentations- und Archivierungsprozesse an die aktuellen gesetzlichen Anforderungen anpasst.