Definition: Die Sollversteuerung ist die umsatzsteuerliche Versteuerungsart, bei der die Umsatzsteuer bereits mit Ausführung der Leistung bzw. mit Ausstellung der Rechnung entsteht – unabhängig davon, ob der Kunde die Rechnung bereits bezahlt hat. Sie bestimmt den Zeitpunkt, in dem die Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen ist.
Grundprinzip und rechtlicher Rahmen
Die Sollversteuerung folgt dem Leistungs- bzw. Rechnungsprinzip: Steuer entsteht, wenn die Leistung erbracht oder die Rechnung gestellt wurde. Maßgeblich ist das Umsatzsteuergesetz (UStG). Die Sollversteuerung ist die gewöhnliche Veranlagungsform für Unternehmen; eine abweichende Istversteuerung (Zahlungseingangsprinzip) ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) ist hiervon zu unterscheiden – sie führt zur Nichtausweisung von Umsatzsteuer.
Praktische Auswirkungen in der Buchhaltung
Für Freiberufler und kleine Unternehmen bedeutet die Sollversteuerung vor allem eines: Umsatzsteuer muss bereits dann abgeführt werden, wenn die Rechnung gestellt wurde. Das hat direkte Auswirkungen auf Liquidität, Reporting und Forderungsmanagement.
- Liquiditätsplanung: Umsatzsteuer wird vor möglichen Zahlungseingängen fällig. Unternehmer müssen die Steuer aus eigenen Mitteln zwischen Rechnungstellung und Zahlungseingang vorfinanzieren.
- Buchungspraxis: Bei Rechnungsstellung wird die Forderung einschließlich Umsatzsteuer bilanziert; die Umsatzsteuer erscheint als Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzamt.
- Umsatzsteuer-Voranmeldung: In der Voranmeldung und in der Jahreserklärung ist die durch Rechnungen entstandene Umsatzsteuer anzugeben. Die Fristen (monatlich, vierteljährlich) hängen von der Höhe der Steuerzahllast ab.
Beispielbuchung bei Rechnungserstellung
Freiberufler stellt Rechnung über 10.000 EUR netto zu 19 % USt:
| Buchung | Soll | Haben |
|---|---|---|
| Rechnungsstellung | Forderungen 11.900 EUR | Umsatzerlöse 10.000 EUR Umsatzsteuer 1.900 EUR |
| Zahlungseingang | Bank 11.900 EUR | Forderungen 11.900 EUR |
Vor- und Nachteile für kleine Unternehmen
Die Sollversteuerung ist einfach zu verstehen und entspricht dem leistungsorientierten steuerlichen Grundsatz. Dennoch sollten Unternehmer abwägen:
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Vorteile:
- Eindeutiger Zeitpunkt der Steuerentstehung (bei Leistung/Rechnung).
- Keine Abhängigkeit von Zahlungseintritt; weniger Manipulationsmöglichkeiten beim Zeitpunkt der Versteuerung.
- Standardverfahren: keine separate Antragstellung nötig, sofern keine Ausnahme greift.
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Nachteile:
- Liquiditätsbelastung bei langen Zahlungszielen oder säumigen Kunden.
- Erhöhtes Risiko bei Forderungsausfällen: Umsatzsteuer bleibt ggf. an das Finanzamt zu zahlen, obwohl Zahlung ausbleibt.
Wann ist die Sollversteuerung sinnvoll — und was sind Alternativen?
Die Sollversteuerung ist für viele Unternehmen die Standardmethode. Sie ist sinnvoll, wenn Zahlungen in der Regel zeitnah erfolgen oder wenn das Forderungsrisiko gering ist. Für Unternehmen mit längeren Zahlungszielen, großen Forderungsbeständen oder hohem Ausfallrisiko kann die Istversteuerung (Zahlungsprinzip) vorteilhaft sein, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Wichtige Stichpunkte zur Entscheidung:
- Prüfen Sie Ihre durchschnittlichen Forderungslaufzeiten und Ausfallrisiken.
- Berücksichtigen Sie Liquiditätsplanung und Puffer für Umsatzsteuerzahlungen.
- Erwägen Sie die Istversteuerung als Liquiditätserleichterung, sofern Sie die Voraussetzungen erfüllen.
- Verwechseln Sie nicht die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) mit der Ist-/Sollversteuerung.
Praxis-Tipps und rechtliche Schritte
Empfehlungen für die Praxis:
- Dokumentieren Sie Rechnungsdaten sauber, damit der Zeitpunkt der Steuerentstehung jederzeit nachvollziehbar ist.
- Pflegen Sie ein effektives Forderungsmanagement (Mahnwesen, Zahlungsbedingungen), um Liquiditätsengpässe zu vermeiden.
- Bei großen offenen Forderungen prüfen Sie mit dem Steuerberater die Möglichkeit der Istversteuerung oder anderer Instrumente (Anpassung von Zahlungszielen, Factoring).
- Klärung mit dem Finanzamt: Änderungen im Versteuerungsverfahren oder Fragen zur Anwendbarkeit von Ausnahmeregeln sollten immer mit dem Steuerberater und gegebenenfalls dem Finanzamt abgestimmt werden.
Die Sollversteuerung ist eine zentrale Regelung im Umsatzsteuerrecht und beeinflusst unmittelbar Ihre Liquidität und Buchhaltung. Eine bewusste Wahl der Versteuerungsart und eine entsprechende Planung sind deshalb für Freiberufler und kleine Unternehmen in Deutschland essenziell.